Vorsitzender Dr. Hans-Ulrich Mast

Haushaltsrede 2024

08. Dezember 2024

Die wichtigsten Punkte der Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden der WGH, Dr. Hans-Ulrich Mast, sind im nachfolgenden zusammengefasst. Die vollständige Rede finden Sie im Anhang:
 
Finanzielle Lage und Haushaltspolitik: Die Haushaltslage der Stadt ist kritisch, und umfassende Sparmaßnahmen sind nötig, auch bei Prestigeprojekten. Steuererhöhungen lehnt die WGH ab, um Bürger nicht zusätzlich zu belasten. Der Bund und das Land schieben Kosten auf die Kommunen, ohne nachhaltige Unterstützung zu leisten.
 
Migration und Integration: Migration ist eine notwendige, aber herausfordernde Aufgabe. Die zentrale Unterbringung von Flüchtlingen in Haltern war eine pragmatische Entscheidung, die mit breiter Akzeptanz getroffen wurde. Eine geregelte Zuwanderung ist essentiell für die Zukunft der Wirtschaft und des Sozialstaates.
 
Klimawandel und Energiewende: Die Klimapolitik erfordert hohe Investitionen, die die Bürger belasten werden. Realistische und effiziente Maßnahmen sind nötig, da Populismus und fehlende Planung Vertrauen in die Politik gefährden könnten.
 
Demokratie und gesellschaftlicher Zusammenhalt: Die Debattenkultur und der Umgang mit Populismus sind entscheidend, um die Demokratie zu stärken. Online-Petitionen oder Bürgerinitiativen mit geringer lokaler Beteiligung sollen nicht überbewertet werden. Der Zusammenhalt der Gesellschaft steht im Mittelpunkt politischer Entscheidungen.

 

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte gerne noch einmal meiner Vorgängerin Marlies Breuer gedenken, die für mich und für viele ein Vorbild war und die über Jahrzehnte ihre ganze Kraft dafür aufgewendet hat, unsere Stadt ein bisschen besser zu machen. Sie hätte es gewollt, dass ich auch in dieser kurzen Rede den Humor nicht ganz verliere.

Sehr geehrter Herr Meussen,

gute, alte Traditionen geraten leider zunehmend in Vergessenheit, wie etwa die, den Überbringer schlechter Nachrichten zu köpfen.

Die Haushaltslage unserer Stadt ist in der Tat verheerend. Der Frühling nach dem Stärkungspakt-Winter ist bereits wieder vorbei und geht direkt in den Herbst über. Wir müssen nun jede Ausgabe auf den Prüfstand stellen, um uns Handlungsspielräume in der Zukunft zu bewahren. Dabei dürfen wir auch Groß- und Prestigeprojekte nicht unangetastet lassen, müssen vielleicht heilige Kühe schlachten, andererseits aber nicht jedes Vorhaben allein aus Kostengründen begraben. Wenn das Geld knapper wird, nehmen die Verteilungskämpfe zu. Das wird uns allen Kompromissbereitschaft und Augenmaß abverlangen. Vonseiten des Bundes oder des Landes ist auf lange Sicht keine Hilfe zu erwarten.

Der Bund erlässt mit zunehmender Kreativität Gesetze, um die Kosten dann auf die Kommunen abzuschieben. Der Bund habe ja auch kein Geld, hört man immer wieder. Das mag so sein, ist aber weitgehend selbstverschuldet. Von 2022 auf 2023 verdoppelte sich die Summe der Geschenke, die der Staat verteilt, auf über 200 Milliarden Euro, erstmals der größte Posten im Bundeshaushalt. Allein Verbrennerautos werden mit 14 Milliarden Euro gefördert, je größer, desto mehr. Auf Haltern heruntergebrochen sind dies 7 Million Euro jährlich – damit wären unsere finanziellen Probleme wohl gelöst.

Die Zahl der Bundesbeamten ist in zehn Jahre um 20 % auf 300.000 angewachsen, die nicht nur mehr Geld kosten, sondern in der Regel auch noch weitere Kosten verursachen – die Bürokratie nährt die Bürokratie.

Die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher sagte einmal, das Problem der Sozialisten sei, dass ihnen irgendwann das Geld anderer Leute ausgeht. Das trifft schon längst nicht mehr nur auf Sozialisten zu. Der Fisch stinkt vom Kopf. Leidtragende sind die Kommunen am Ende der Nahrungskette. Die Kommunen sind die bedeutendsten Investoren. Ihre Schwäche überträgt sich mittlerweile auf die Gesamtwirtschaft – das ist eine gern ignorierte Erkenntnis.

Dabei geht es hier schon längst nicht mehr nur um die Wirtschaft.

Die Kommune ist die kleinste und für viele sichtbarste Zelle des demokratischen Gemeinwesens. Die gesellschaftliche Erosion beginnt hier. In Berlin geht man offenbar davon aus, dass zuerst die Bürgermeister durch Populisten ersetzt werden, dann die Landräte, dann die Landespolitiker, und erst in ferner Zukunft das Bundeskabinett. Die Analyse ist zutreffend, beim Tempo hat sich Berlin allerdings verrechnet. In Ostdeutschland arbeitet man bereits an Stufe 3 von 4.

Es bringt also nichts, den Kämmerer zu köpfen. Diese Probleme können wir in Haltern nicht lösen. Wir müssen mit ihnen umgehen.

Nach Umfragen ist das wichtigste Thema der Menschen die Migration. In Haltern schlagen die Wellen erfreulicherweise nicht so hoch wie in einigen Gemeinden südlich der Lippe. Auch deswegen lebe ich gerne hier.

Die deutsche Geschichte und die unserer Stadt ist auch eine Geschichte der Migration. Viele Halterner haben ihre Wurzeln in den Flüchtlingsströmen nach dem 2. Weltkrieg, und mancher hat das nicht vergessen. Nach der Wende kamen viele Ostdeutsche zu uns. Das ist Migration, die wir verursacht haben. Daran sollten wir uns immer erinnern, wenn wir über die aktuelle Migration sprechen. Die Zeit, in der wir leben, ist nicht besonders, sie ist nur anders.

Ohne Zuwanderung werden wir langfristig dem Fachkräftemangel nicht begegnen können. Ohne Zuwanderung werden unsere Steuern und Sozialabgaben ganz sicher steigen, die Renten und Sozialleistungen ganz sicher fallen, und in Krankenhäusern und Pflegeheimen werden wir von Robotern versorgt. Die Menschen, die heute zu uns kommen, spätestens ihre Kinder, werden eine wichtige Stütze dieses Staates sein.

Es ist jedoch, und sei es auch erst seit Kurzem, mittlerweile jedem klargeworden, dass eine planlose und unbegrenzte Zuwanderung unsere Gesellschaft völlig überlastet. Nach drei katastrophalen Wahlen im Osten ist man in Berlin offenbar aufgewacht. Der Zeiger zwischen Willkommenskultur einerseits und dem Ruf nach so nicht übertragbaren skandinavischen Modellen andererseits scheint sich langsam auf einen Normalzustand einzupendeln, mit dem die Mehrheit vielleicht leben kann. In einer Welt von Kriegen und massiver Ungleichheit wird es jedoch eine schwierige und langwierige Aufgabe, die Migrationsströme einzudämmen und Rückführungen im erforderlichen Maße durchzuführen. Um es deutlich zu sagen, wenn das nicht gelingt, werden wir unsere Stadt und unseren Staat bald nicht mehr wiedererkennen.

Auch in diesem Punkt sind Bund und Land gefragt. Kommunen können die Auswirkungen lediglich verwalten. In Haltern mussten wir uns unter dem Druck der Umstände für eine Zentrale Unterbringungseinrichtung für 400 Flüchtlinge entscheiden. Jede andere Lösung hätte unsere Stadt zerrissen und finanziell um Jahre zurückgeworfen. Die Entscheidung ist uns allen nicht leichtgefallen. Ich stelle jedoch mit Stolz fest, dass keine der hier vertretenen Parteien versucht hat, aus dieser Notlage einen Vorteil zu ziehen, und dass offenbar die meisten unserer Bürgerinnen und Bürger, bei allem Unmut, den wir teilen, Verständnis für unsere prekäre Situation aufgebracht haben.

Wir dürfen nur hoffen, dass sich die Großlage bald entspannt, wie es im Augenblick ein wenig den Anschein hat, und dass wir die Aufgabe, Flüchtlingen eine menschenwürdige Unterbringung und Integration zu gewährleisten, in Haltern auch in Zukunft besonnen erfüllen werden. Noch dürfen wir zuversichtlich sein, dass durch die Verwerfungen, die sich aus der Migration zwangsläufig ergeben, diese Gesellschaft nicht zu populistischen Scheinlösungen greift, die unseren Staat in seiner jetzigen Form zersetzen und das Leben jeder einzelnen Bürgerin, jeden einzelnen Bürgers nachhaltig beeinträchtigen würden. Dabei kommt gerade uns Kommunalpolitikerinnen und -politikern eine bedeutende Verantwortung zu.

Im Gegensatz zur Migration ist das Interesse am Klimawandel deutlich abgeebbt. Möglicherweise ist einigen aufgegangen, dass es nicht ausreicht, beim Zähneputzen den Wasserhahn zu schließen, oder der einen oder anderen Organisation ein wenig Geld zu spenden. Unsere Anstrengungen zur Begrenzung des Klimawandels dürfen nicht nachlassen, aber sie liegen größtenteils noch vor uns.

Nach konservativer Schätzung kostet uns Deutsche die Energiewende in den kommenden zehn Jahren mehr als 1.200 Milliarden Euro. Das sind 15.000 Euro pro Einwohner oder 60.000 Euro für eine vierköpfige Familie.

In Haltern allein müssen bis zum Jahr 2045 12.000 Heizungsanlagen ersetzt werden. Gehen wir davon aus, dass zusätzlich zur Heizungsanlage in vielen Fällen noch eine Gebäudesanierung erforderlich wird, kommen auf unsere Halterner Bürgerinnen und Bürger in den kommenden 20 Jahren Kosten von wohl mehr als einer halben Milliarde Euro zu. Das trifft Hausbesitzer und Mieter gleichermaßen und macht Wohnraum noch teurer.

Selbst wenn es eine großzügige Förderung durch den Staat geben sollte, werden die Steuerzahler dafür aufkommen müssen. Das Geld wird dadurch nicht mehr, es wird nur mit großem Verwaltungsaufwand umverteilt.

Als die kommunale Wärmeplanung in einem Ausschuss thematisiert wurde, kam die Anmerkung, dass diese Summen ganz einfach aufgebracht werden müssten. Davon bin ich persönlich nicht weit entfernt. Aber man kann sich auch einfach aus der Affäre ziehen, indem man sein Kreuzchen bei einer Partei macht, die behauptet, der Klimawandel sei lediglich eine natürliche Fluktuation in der Erdgeschichte.

Das verunglückte Gebäudeenergiegesetz war bereits ein Konjunkturprogramm für populistische Parteien. Es wird aber erst seine Wirkung entfalten, wenn viele unserer jetzigen Bundespolitiker eine andere Beschäftigung gefunden haben werden. Was wird geschehen, wenn unsere Bürgerinnen und Bürger das Geld tatsächlich auf den Tisch legen müssen? Grün denken und grün bezahlen sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Natürlich hat der Bund auch hier wieder den Kommunen den Schwarzen Peter zugeschoben und uns zu einer kommunalen Wärmeplanung bis 2028 gezwungen. Was soll dabei herauskommen? Fernwärme ist in Haltern mangels Industrie nicht verfügbar, Wasserstoff auch in der Zukunft rar und teuer, wird überdies in anderen Bereichen dringender benötigt, und wo soll Biogas in den erforderlichen Mengen herkommen? Es bleiben nur Wärmepumpen, die bei unserer teils dichten Bebauung mannigfaltige Probleme aufwerfen werden. Letztlich werden die Menschen auch ihre Kommune für diese Politik verantwortlich machen. In einem Ausschuss wurde eine Photovoltaikanlage an einem öffentlichen Gebäude diskutiert. Es wurden Solarpanels auch an der Nordseite gefordert, was der Architekt als wenig sinnvoll erachtete. Darauf kam der Einwand: „Aber wir haben den Klimawandel!“

Auch und gerade beim Klimaschutz müssen wir unser Geld – das Geld der Bürgerinnen und Bürger – effektiv und effizient einsetzen. Wir können uns nicht alles leisten, denn unsere Bürgerschaft wird bereits in wenigen Jahren an die Grenze des finanziell Erträglichen kommen. Was einerseits erforderlich und andrerseits akzeptabel ist, wird dann neu diskutiert werden. Ich fürchte, wir werden so manchen Kompromiss schließen müssen, um den Zusammenhalt der Gesellschaft nicht zu gefährden.

Wie vielleicht schon angeklungen, sind in meinen Augen weder der Klimawandel noch Migration unlösbare Aufgaben, sofern wir umsichtig und ohne ideologische Scheuklappen handeln. Was mich mehr umtreibt, ist die Frage, ob unsere Demokratie bald noch handlungsfähig sein wird. Die Erderwärmung wird in einer Autokratie schnell zur Nebensache.

Wir alle sind aufgerufen, die Spaltung der Gesellschaft nicht weiter voranzutreiben. Dabei spielt auch unsere Debattenkultur eine wesentliche Rolle. Es gab in jüngerer Zeit vermehrt – ich kann mich an drei erinnern – Onlineumfragen zu Lokalthemen, die nicht selten nachweislich von Auswärtigen oder aus dem Ausland unterzeichnet wurden und nach genauer Prüfung lediglich einen einstelligen Prozentsatz der Bewohner unserer Stadt oder sogar weniger repräsentierten.

Als im Jahr 2021 eine Online-Petition zum Erhalt eines Wäldchens in Sythen gestartet wurde, – ich zitiere unseren Bürgermeister aus der Ratssitzung vom 7.10.21 – wurde sie von nur 151 Personen aus Haltern von insgesamt 650 aus aller Welt unterstützt, darunter u.a. aus den USA, Brasilien, Griechenland, Serbien und den Faröer-Inseln.

Ebenso sind Bürgerinitiativen mit einigen hundert Befürwortern keine Mehrheit.

Wer aus solchen Onlineumfragen oder Bürgerinitiativen die Legitimität eines Standpunktes ableitet, betreibt das Geschäft der Populisten, die sich alle als die wirklich wahren Volksvertreter sehen, selbst und besonders wenn sie in der Minderheit sind.

Wir sollten zudem stets im Auge behalten, dass alle von uns zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger handeln, und dass jede Meinung gleichberechtigt ist, auch ethisch und moralisch.

Bislang haben wir mit einem noch nicht kopflosen Kämmerer über unsere Vorhaben geredet. Bald müssen wir vielleicht die Erlasse eines Staatskommissars über uns ergehen lassen, sofern wir in den kommenden Jahren keine kluge und nachhaltige Haushaltspolitik betreiben. Noch einmal, wir müssen an den Ausgaben arbeiten, auch im Personalbereich. Eine Steuererhöhung lehnt die WGH, wie schon in den Vorjahren, ab, denn nicht nur wir als Kommune, sondern auch unsere Bürgerinnen und Bürger privat gehen wirtschaftlich ungewissen Zeiten entgegen.

Die WGH wird dem Haushalt und dem Stellenplan für das Jahr 2025, wenn auch mit großer Sorge um die Zukunft, zustimmen.

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